Der Begriff „balanced Scorecard“ beschreibt ein Kennzahlensystem, welches ausgewogen („balanced“) ist, womit typischerweise sowohl finanzielle (Ergebnis-)Kennzahlen als auch nicht-finanzielle Prozess- und Ergebniskennzahlen gemeint sind. Somit lässt sich eine Balanced Scorecard (BSC) als ein strategisches Management Instrument verstehen, welches über ein ausgewogenes Set an Kennzahlen Unternehmen und Organisationen dabei hilft, ihre strategischen Ziele zu formulieren, den Fortschrittsgrad zu messen und rechtzeitig Anpassungen durchzuführen. Durch das Zusammenspiel von Vorlaufindikatoren und Ergebniskennzahlen können Entscheider Ursache-Wirkungszusammenhänge in ihrem Unternehmen und dessen Markt- und Wettbewerbsumfeld erkennen und ihre Entscheidungen daraufhin ausrichten.
Die BSC wird oft als ein Vier-Perspektiven-Modell dargestellt, das folgende Perspektiven enthält:
Wie erreichen wir unsere finanziellen Ziele und wie können wir unsere finanzielle Performance messen?
Wie können wir die Erwartungen unserer Kunden erfüllen und übertreffen? Wie stehen wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern?
Wie können wir unsere Produktions- und Dienstleistungsprozesse verbessern, um unsere Kunden besser bedienen zu können und unsere finanziellen Ziele zu erreichen?
Wie können wir die Fähigkeiten und Kompetenzen unserer Mitarbeiter verbessern, um unsere internen Prozesse zu optimieren und unseren Kunden bessere Dienstleistungen anzubieten?
Abhängig vom Geschäftsmodell des Unternehmens sind weitere Perspektiven möglich wie beispielsweise Perspektiven für wichtige Stakeholder oder spezifische Zielgrößen. Besonders prominent in jüngster Zeit erweist sich eine Perspektive für nachhaltige Zielgrößen, zusammengefaßt unter ESG (Environmental, Social, and Governmental).
Durch das Zusammenspiel von Vorlaufindikatoren und Ergebniskennzahlen können Entscheider Ursache-Wirkungszusammenhänge identifizieren. Diese können durch eine Strategy Map kenntlich gemacht werden. Somit ist eine Strategy Map eine Art Diagramm, das die wichtigsten Elemente der Unternehmensstrategie, wie Ziele, Kennzahlen, Maßnahmen und Verbindungen zwischen den verschiedenen Elementen, zeigt. Sie ist oft in vier oder fünf Schichten oder Perspektiven strukturiert, analog zur Balanced Scorecard. Diese Perspektiven können die finanzielle Perspektive, die Kundenperspektive, die interne Prozessperspektive und die Lern- und Wachstumsperspektive umfassen oder andere Perspektiven, welche für das Geschäftsmodell des Unternehmens relevant sind.
Eine typische Strategy Map beginnt oft mit den übergeordneten strategischen Zielen, die dann in kleinere, detailliertere Ziele und Maßnahmen unterteilt werden, welche zur Erreichung der übergeordneten Ziele beitragen. Die Strategy Map zeigt auch die Verbindungen zwischen den verschiedenen Zielen und Maßnahmen, so dass die Mitarbeitenden die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die strategischen Ziele des Unternehmens besser verstehen können und Ursache-Wirkungszusammenhänge identifizieren können. So können Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen (Lern- und Entwicklungsperspektive) zu einem höheren Qualitätsniveau bei Dienstleistungsprozessen (Interne Prozessperspektive) führen, welches sich wiederum in einer höheren Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (Kundenperspektive) niederschlägt. Letztere führt unter Umständen zu höheren zukünftigen Umsätzen und geringeren Kosten der Kundenbindung. Kaplan und Norton gehen hier auf das Beispiel eines Flughafenbetriebs ein, bei dem Schulungsmaßnahmen beim Bodenpersonal zu geringeren Standzeiten der Flugzeuge führen, welche wiederum die Pünktlichkeit der Airlines und die Kapazitätsauslastung des Flughafens verbessern. Beides ermöglicht Preissenkungen gegenüber den Kunden, höhere Kundenzufriedenheit und eine Steigerung des Gewinnes. Um derartige Effekt zu quantifizieren bieten sich valide statistische Schätzungen auf Basis historischer Daten an.
Die Balanced Scorecard (BSC) und ein Management über Zielvereinbarungen (MBO) sind zwei verwandte Konzepte, die miteinander verbunden werden können. Im Rahmen von MBO werden Mitarbeitenden Ziele zugewiesen und Leistung anhand dieser Zielgrößen bewertet. Ziel von MBO ist es, sicherzustellen, dass Mitarbeitende und Führungskräfte gemeinsam an übergeordneten Zielen arbeiten und so zu einer gelungenen Strategieimplementierung des Unternehmens beitragen.
Beide Konzepte – die Balanced Scorecard und Mangement by Objectives - ergänzen sich insofern gut, als dass eine BSC die strategischen Ziele des Unternehmens festlegt und den Zielfortschritt misst, während MBO sicherstellt, dass die individuellen Ziele der Mitarbeiter mit den übergeordneten Zielen des Unternehmens übereinstimmen. Unternehmen können somit MBO verwenden, um sicherzustellen, dass die individuellen Ziele der Mitarbeitenden zu den strategischen Zielen der BSC passen.
Grundsätzlich hängt die die Anzahl der Ziele und Kennzahlen in einer Balanced Scorecard von den spezifischen Bedürfnissen und Zielen des Unternehmens ab. Es gibt keine festgelegte Anzahl von Zielen oder Kennzahlen, die in jeder Balanced Scorecard enthalten sein sollten, da jede Balanced Scorecard individuell auf das Unternehmen zugeschnitten sein sollte.
Allerdings lassen sich auf Basis aktueller Forschung zwei Empfehlungen geben: Zum einen sollten Unternehmen eine ausgewogene Mischung von Zielen und Kennzahlen in allen Perspektiven der Balanced Scorecard aufweisen. Hier scheint eine Größenordnung von vier bis fünf Zielen und Kennzahlen pro Perspektive sinnvoll. Zum anderen zeigen Studien aus der Psychologie, dass Menschen zwischen fünf und neun Kennzahlen in ihrem Kurzzeitgedächtnis gut behalten und verarbeiten können. Entsprechend würde eine ausgewogene Balanced Scorecard mit jeweils vier bis fünf Zielen und Kennzahlen pro Perspektive zu umfangreich ausfallen.
Eine Lösung für diesen Widerspruch kann darin bestehen, eine Balanced Scorecard mit 16 bis 20 Zielen und Kennzahlen aufzubauen, den Fokus von Entscheidungsträgern aber vor allem auf die vier bis fünf Ergebniskennzahlen zu lenken und zu verdeutlichen, dass die übrigen Kennzahlen Vorlaufindikatoren bilden, deren Zielerreichung letztlich den Erfolg bei Ergebniskennzahlen sicherstellt.
ESG (Environmental, Social, Governance) Ziele können in einer Balanced Scorecard entweder als EGS-Teilziele und zugehörigen Kennzahlen innerhalb einer der klassischen Perspektiven oder in einer eigenen ESG-Perspektive abgebildet werden.
In der finanziellen Perspektive können ESG-Ziele und ESG-Kennzahlen beispielsweise in Form von ESG-Investitionen und zugehörigen Kosten oder durch den Einfluss von ESG-Risiken auf die finanzielle Entwicklung eines Unternehmens integriert werden. Auch können ESG-spezifische Umsätze abgebildet werden.
In der Kundenperspektive können ESG-Ziele und ESG-Kennzahlen in Bezug auf Größen wie Kundenzufriedenheit oder Kundenbindung integriert werden, beispielsweise durch die Messung der Kundenzufriedenheit mit ESG-bezogenen Produkten und Dienstleistungen, des Kundenfeedbacks zur Nachhaltigkeit des Unternehmens und der Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Kundenbeziehungen.
In der Prozessperspektive können ESG-Ziele und -ESG Kennzahlen in Bezug auf die Effektivität und Effizienz von Geschäftsprozessen integriert werden, beispielsweise durch die Messung der Energieeffizienz in Produktions- und Dienstleistungsprozessen, der Reduktion von Ausschuss und Abfall, der Reduktion von Emissionen oder der Verbesserung von Arbeitsbedingungen, Inklusion und Diversität.
In der Lern- und Entwicklungsperspektive können ESG-Ziele und ESG-Kennzahlen in Bezug auf die Mitarbeiterentwicklung, die Innovationskraft eines Unternehmens oder den Digitalisierungsgrad integriert werden. Beispiele sind ESG-Schulungen für Mitarbeitende, die Integration von ESG-Aspekten in die Vergütungssysteme oder die digitale Abbildung einer Kreislaufwirtschaft in der Produktion.
Die Einführung einer Balanced Scorecard erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung. Einige Erfolgsfaktoren können hier berücksichtigt werden:
Die Unterstützung und das Engagement des Top-Managements sind entscheidend für den Erfolg. Neben den notwendigen Investitionen sollte das Top-Management glaubhaft vermitteln, dass sämtliche strategischen Entscheidungen durch die Balanced Scorecard begleitet werden.
Eine klare Vision, Strategie und daraus abgeleitet strategische Ziele sind Voraussetzung für die gelungene Einführung einer Balanced Scorecard. Die Balanced Scorecard sollte sich auf die Umsetzung der Unternehmensstrategie konzentrieren und klare Ziele haben, die den Erfolg der Strategie messen.
Die Einführung einer Balanced Scorecard erfordert die Einbeziehung aller Mitarbeitenden, um sicherzustellen, dass die Balanced Scorecard verstanden und als nützlich empfunden wird. Hierzu gehört auch eine klare Kommunikation.
Die Auswahl geeigneter Kennzahlen ist entscheidend für den Erfolg der Balanced Scorecard. Die Kennzahlen sollten sich auf die kritischen Aspekte der Unternehmensstrategie beziehen und idealerweise empirisch, d.h. über Datenanalysen ermittelt werden.
Da sich strategische Prioritäten und deren zugehörige Erfolgsfaktoren ändern, erfordert das Arbeiten mit einer Balanced Scorecard eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung.
Die Entscheidung, ob die Zielerreichung im Rahmen der Balanced Scorecard incentiviert werden sollte, hängt von der Philosophie des Unternehmens ab, wie Mitarbeitende motiviert und belohnt werden sollen. Da eine gut gemachte Balanced Scorecard immer den Zielerreichungsgrad der Strategieumsetzung misst, sollten Unternehmen in jedem Fall dafür Sorge tragen, dass die gesetzten Ziele auch konsequent verfolgt werden. Hierbei können Anreizsysteme eine tragende Rolle spielen.
Steht die extrinsische Motivation mit Vordergrund, so können finanzielle Anreize wie Boni, oder Gehaltssteigerungen mit der Zielerreichung verknüpft werden. Auch eine Beförderung, mehr Entscheidungsspielraum und Verantwortung oder Lob und Anerkennung können wichtige Anreize sein, um die Zielerreichung sicherzustellen. Es besteht breiter Konsens in Forschungsarbeiten zur Balanced Scorecard, dass diese besonders erfolgreich in Unternehmen eingesetzt wird, wenn finanzielle Leistungsanreize mit der Zielerreichung verbunden werden.
Steht bei einem Unternehmen jedoch die intrinsische Motivation im Vordergrund wie Pflichtbewusstsein oder Identifikation mit der Aufgabe, sollte keine extrinsischen Anreize einbezogen werden. Dies spielt vor allem dann eine Rolle, wenn OKRs „in Reinform“ das zentrale Instrument zur Unternehmenssteuerung sind, welche mit der Balanced Scorecard verknüpft sind. Unabhängig von den Leistungsanreizen sind ein unterstützendes Arbeitsumfeld, klare Kommunikation der Strategie und Ziele des Unternehmens sowie regelmäßiges Feedback unterstützend für den Strategieumsetzungsprozess.